Hast du auch manchmal das Gefühl es liegen zig angefangene Projekte und Lernthemen herum?

Bei uns zur Zeit zum Beispiel "Goldschmiede-Projekt", verschiedene Zeichenstil-Themen und "Zeichnen und Bearbeiten am Computer" und das Keyboard, um das sich vor Kurzem noch gestritten wurde, staubt ein. Und das ist nur, was ich bei einmal Umschauen und ohne Überlegen entdecke.

Ich muss gestehen, dass so angefangene Lernthemen mich in 2017 und 2018 wirklich belastet haben. Der Gedanke von "Man muss etwas erst beenden, bevor man etwas Neues anfängt" hat mich auch die eine oder andere Nacht wach gehalten.

Bis ich irgendwann (auch nachts) dachte, "Wann ist ein Lernthema eigentlich beendet??"

In der Schule ist es recht klar gewesen, wenn der Lehrer die Klassenarbeit zum Thema zurück gegeben hat oder ein neues Thema anfängt.

Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass einige Schüler schon lange vorher das Thema gerne abgehakt hätten und andere mit dem Gefühl zurück blieben, dass sie gerade mal an der Oberfläche gekratzt haben.

Aber wie ist das bei unserem Lernen-ohne-Schule?

Bei einigen Sachen haben wir ein naturgegebenes Ende:
Das Anfängersegeln endet im Herbst, wenn Wind und Wetter unberechenbarer werden. Skifahren endet, wenn der Schnee weggetaut ist.

Aber abgesehen davon, müsste man bei Lernthemen ein willkürliches Ende setzen.

Im Laufe der letzten Jahre habe ich beobachtet, das viele "unbeendet" zurückgelassene Themen wieder aufgegriffen wurden oder ein "Nachbar"-Thema aktuell wurde.

Das erkläre ich, glaube ich, lieber an ein paar Beispielen:

Bei Justus mit seinem Bienenthema, tauchte es zuerst wieder im größeren Zusammenhang mit anderen Insektenvölkern auf und sein besonderer Interessenschwerpunkt mit "Verhalten" und "Kommunikation" tauchte im "Nachbarthema"  mit der Kommunikation mit seinem Hund und Rudel-Verhalten von Wölfen wieder auf. 

Das glühend gewünschte Zeichentablett liegt in der Schublade, während unsere Mini-Maus einen Zeichenblock nach dem anderen mit Bleistiftskizzen füllt.

Jannik geht mit großer Begeisterung verschiedene Musikinstrumente durch. Bisher waren Schlagzeug, Keyboard, Mundharmonika und Violine dabei. Und natürlich Bewegung draußen - in welcher Form auch immer.

Ich beobachte zwei unterschiedliche Gründe, warum ein Thema (unbeendet) aus dem Alltag "fliegt".

Manchmal stößt man an Hürden und schmeißt das Thema oder Projekt dann hin. 

Mir persönlich geht es beim Stricken so. Meinem Großen bei Geometrie, obwohl er sonst Mathe in jeder Form liebt. Und dem Jüngsten beim Schnitzen.

Dann kann man gemeinsam nach Lösungen suchen, wie: man findet Anwendungen in der echten Welt (Geometrie), mehr Übung und Geduld oder man bekommt es noch einmal in Ruhe gezeigt und probiert es gemeinsam (Janniks Schnitzen).

Oder man legt es (in Frieden mit sich selbst) weg mit: "Hab ich probiert, ist nicht mein Ding." wie Justus beim Gitarre-spielen und ich beim stricken.

Viel öfter sehe ich aber ein "Satt"-sein mit einem Lernthema.

Den Begriff hat meine Freundin Sibylle benutzt und ich finde ihn so perfekt, dass ich ihn beibehalten habe.

Mit "lern-satt" meine ich den Zustand, dass dein Kind einen Punkt erreicht, an dem es mit seinem Lernstand in dem Thema einfach happy und zufrieden ist.

Vielleicht macht dein Kind Pause, bevor das Thema wieder aufgegriffen wird (das sehe ich sehr stark bei meiner kleinen Tochter) oder es reizt ein neues Thema (alle anderen Kinder und ich selbst).

Bei meinem kleinen Sohn war das neulich sehr deutlich, wie sein "satt-sein" von der eher-üblichen Vorstellung von "eine Sache beenden" abweicht:

Er hatte mit einem Musikstück am Keyboard begonnen, dass über das, was seinem bisherigen Fähigkeiten-Level entsprach, merklich hinausging. Er hat wirklich hartnäckig geübt, und immer wieder und auch bei Entmutigung hat er am nächsten Tag es wieder aufgenommen.  
Irgendwann ging der Anfang flüssig, der mittlere Teil mit einigen Fehlern und der Schlussteil stückchenweise mit "Verspielern" zwischendrin.

Aus meiner Sicht war er ganz knapp vor "fertig = spielt das Stück flüssig" als er "hingeschmissen" hat.

Aber er ist so zufrieden mit sich und der Welt zu seinem nächsten Projekt "Baumhaus bauen" übergegangen, dass ich sicher war, dass es nicht Frust war, der den Lernthemenwechsel verursacht hatte.

Ich habe ihn also eines Abends gefragt. Und mein Jüngster hat oft eine so ganz andere Sicht der Dinge - und dieses Mal auch:

"Aber Mama, ich war doch fertig! Ich wusste doch jetzt, wie ich mir das Stück selber beibringen kann!"

Das Selbstverständlichste auf der Welt:
Das Lernthema war beendet, weil er alles gelernt hatte, was er zu diesem Zeitpunkt davon lernen wollte.

Ich werde auf jeden Fall mehr bei meinen eigenen Lernprojekten auf dieses Gefühl von "innerem fertig" achten, statt nur darauf, dass es auch "objektiv fertig" wird.

Leider sorgt die Erkenntnis nicht dafür, dass es mich nicht trotzdem manchmal gehörig nervt, wenn Angefangenes von den Kinder rumliegt (- oder von mir. Noch jemand mit einer Kiste unfertiger Nähobjekte im Schrank hier?).

Aber es heißt, dass ich noch genauer hinschaue, ob meine Vorstellung von "fertig mit einem Lernthema" auch mit der Wahrnehmung meiner Kinder übereinstimmt.
Dann kann ich Unterstützung und Begleitung anbieten, wenn sie gebraucht wird oder den Wechsel zwischen den Lernthemen entspannt beobachten und genießen.


Alles Liebe. Ronja

PS: Schreib mir gerne, welche "liegengelassenen" Projekte und Lernthemen dich gerade nerven. Ich lese und beantworte jede E-Mail!



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