Ist es nötig den Schulablauf zu Hause nach zu stellen, damit dein Kind etwas lernt?
Der Schulalltag ist optimiert darauf, möglichst effektiv Wissen zu vermitteln, dass man hinterher möglichst einfach abfragen kann.
Zum Beispiel in einer Klassenarbeit.
Dafür wird ein Lehrplan genutzt und alle machen dasselbe zur selben Zeit.
So kann man EINEN Lehrer vor (fast) beliebig viele Schüler stellen.
Zuhause kannst du dich nach dem Lerntempo deines Kindes richten.
Vielleicht braucht es ein paar Wiederholungen mehr im 1*1 als im Lehrbuch stehen oder es braucht nur 10 Wiederholungsaufgaben, um das Konzept der Bruchrechnung verinnerlicht zu haben, anstatt der im Lehrplan stehenden 25.
Das war jetzt ein sehr schulisches Beispiel.
Schauen wir uns ein nicht-schulisches Beispiel an:
Dein Kind findet ein Vogelnest und zeigt dir das stolz.
Ihr könnt es dabei belassen oder weiter eintauchen, genauso wie es dein Kind braucht.
Vielleicht schaut ihr nach, von welchem Vogel es stammen könnte, woraus es gemacht ist und wie unglaublich es ist, dass der Vogel es nur mit Schnabel und Krallen hinbekommt.
Vielleicht fragt dein Kind nur einmal nach, bis es Amseln sicher erkennt, oder 5mal oder öfter.
Zuhause kannst du dich nach den Interessen deines Kindes richten:
Spielen wir das Beispiel mit dem Vogelnest weiter durch.
Vielleicht hält dein Kind jetzt die Augen offen, weil es gerne ein „bewohntes Nest“ entdecken möchte. Es nimmt unterschiedliche Vögel wahr und fragt vielleicht nach Gesang und Gefieder.
Ihr schaut in einem Buch nach oder ladet euch vielleicht eine App runter.
(Und wenn du all das einfach so wusstest, bin ich total beeindruckt und ein kleines bisschen neidisch. Weil ich WEISS, dass wir das in der 4.Klasse alles malen mussten und ich mich nur noch daran erinnere, wie sehr ich das Gemale im Sachkunde-Unterricht gehasst habe. :D)
Und - schwupps - einfach durch euren Alltag und den Freiraum, auftauchenden Fragen nachgehen zu können, hat dein Kind schon mehr Wissen angesammelt, auf das es vermutlich auch gerne zurückgreift, als ich damals in der 4.Klasse.
Das kann sein, das Vogelarten und Lebensräume gerade nicht auf dem Lehrplan stehen. Aber es war gerade im „Lernplan“ deines Kindes. Und ihr hattet den Freiraum, euch auf die Interessen deines Kindes einzulassen.
Wofür man sich gerade interessiert, das lernt man meist ganz leicht, weil es einem nicht wie „Arbeit“ vorkommt. Man ist vertieft in sein Entdecken und merkt die Zeit nicht.
Und Erwachsene nennen es oft „spielen“.
Ein Beispiel, das mir bei meinem Kindern die Augen geöffnet hat, wie oft sich im Alltag „lernen“ als „spielen“ tarnt:
Das kleine Planschbecken steht draußen und mein kleiner Sohn schmeißt alles mögliche rein.
Ich bin ein bisschen genervt, weil es gerade mal kein Schlammbad oder Mückenbrutstätte war und atme tief durch, um nicht zu meckern.
(Wir waren noch in Münster und ich war noch hochgedreht von einem sehr unerfreulichen Gespräch mit der Schule).
Ich komme also dazu, immer noch auf meinen Atem fokussiert, einatmen bis 5 zählen, laaaangsam ausatmen.
Als der Kleine hoch schaut und mit strahlenden Augen sagt: „Schau mal, Mama, der Stein geht unter und das Blatt schwimmt. Und DIESES Holzstück schwimmt oben und dieses nicht! Toll, was?“
Mein Atem ist mit einem „wuuusch“ entwichen und wir haben noch ein paar Sachen zusammen gesucht und ins Wasser fallen lassen. (Begeisterung ist ansteckend!)
Wir haben über Dichte und Gewicht gesprochen und ich hab ihm von Archimedes‘ Experiment erzählt, wie er mit dem „Wassertrick“ den Goldschmied als Dieb entlarvt hat.
(Richtig genial erzählt, findest du die Geschichte hier. )
Ich hätte das fast kaputt gemacht, weil ich es für „spielen“ im Sinne von „nutzlosem Unfug“ hielt.
Und ja, auch wenn es nicht verbalisiert worden wäre, wäre es Lernen in Reinform gewesen, weil er ja trotzdem beobachtet und mit der Spannung von Wasser und der Dichte von unterschiedlichen Dingen experimentiert hat.
Lernen zu Hause erfordert eine große Portion Neugier und sich-einlassen-können.
Und Geduld!!
Und bei sehr wissbegierigen Kindern, meinem großen Sohn z.B. der endlos Fragen stellt, hilft manchmal auch ein Anleiten zum Selber-Nachschlagen von Informationen. Egal ob im Internet oder in Büchern. (Sonst käme ich gar nicht mehr zum Kochen oder waschen oder sowas.)
Das Nachschlagen-können ist übrigens eine sehr nützliche Fähigkeit und steht im Lehrplan der 4. und 5.Klasse vieler Schulen. Das wird dann mit vom Lehrer gestellten Aufgaben „Wo findest du die Definition von Gleichgewicht?“ und „sortiere diese Begriffe danach, wo du sie im Wörterbuch findest“ geübt.
Wenn du jetzt sagst, dass klingt ja alles gut, Ronja, ABER...
Dann habe ich noch ein offizielleres Beispiel für dich.
Wenn ein Kind z.B. länger krank ist, dann sieht das NRW-Schulgesetz (wie viele andere auch) Hausunterricht vor.
Beim Hausunterricht ist die Schule verpflichtet, einen Lehrer für eine bestimmte Stundenanzahl zu dem Schüler nach Hause zu schicken, damit dieser dort unterrichtet wird.
Der empfohlene Hausunterricht in der 4. Klasse umfasst 2*2 Stunden pro Woche.
Ich habe beim Gesundheitsamt und der Schule nachgefragt, weil ich das für einen Tippfehler hielt und bekam die Rückmeldung „ 2*2 Stunden pro Woche reichen, damit ein Kind in der 4. Klasse den Anschluss behält.“ Okay...
Versteh mich bitte richtig.
Ich habe nichts gegen Schule. Meine große Tochter liebt ihre Schule und ich kenne viele wunderbare Lehrer.
Alles, was ich mit diesem Text möchte, ist, dir den Druck nehmen, Schule zu Hause „nachbauen“ zu müssen.
Mach es gerne, wenn es euch gut tut und euch entspricht.
Aber mache es NICHT, weil du Angst hast, dass dein Kind sonst keine gute Bildung bekommt.
Alles Liebe. Ronja
PS: Wenn du jetzt neugierig geworden bist, wieviel Lernen sich noch so in eurem ganz normalem Alltag versteckt, dann schau mal in den Räuberkinder-Kurs "Welches Lernen steckt im Alltag?"
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